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Agentur Boomer

24.10.2024

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Von Johannes Ehrenwerth

Strukturelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Agenturjobs

Unsere kleine Bubble gilt als dynamisch, kreativ und progressiv. Aber ein kritischer Blick auf die strukturellen Gegebenheiten zeigt, dass die Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere in Führungspositionen, nach wie vor problematisch ist. Frauen stellen in Agenturen mittlerweile den Großteil der Belegschaft (knapp 60 Prozent der rund 900.000 Beschäftigten in der deutschen Marketing-Branche sind weiblich), doch wenn es um Führungspositionen und Entscheidungsbefugnisse geht, zeigt sich weiterhin eine deutliche Schieflage. Wir schauen uns heute die größten Ungerechtigkeiten in der Werbung an und liefern konkrete Belege für die strukturellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Agenturjobs.

Ungleiche Verteilung von Führungspositionen

Ein zentraler Unterschied zwischen Männern und Frauen in Agenturen liegt in der Verteilung der Führungspositionen. Laut einer Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) aus dem Jahr 2023 sind in der deutschen Digitalwirtschaft nur etwa 22 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. Diese Zahlen sind in der Werbebranche ähnlich und reflektieren ein allgemeines Problem: Obwohl Frauen häufig in kreativen oder administrativen Rollen zu finden sind, haben sie deutlich weniger Einfluss auf strategische Entscheidungen und die Unternehmensführung.

Ein Blick auf die Spitzen der großen Werbeagenturen zeigt: Männer dominieren die Führungsetagen. Dies liegt oft nicht nur an einer vermeintlichen „Gläsernen Decke“, sondern auch an strukturellen Faktoren wie zu wenigen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie den Stereotypen, die in vielen Teilen der Branche noch immer vorherrschen. Auch Netzwerke, die für den beruflichen Aufstieg entscheidend sind, sind für Männer oft besser zugänglich als für Frauen.

Gender Pay Gap

Neben der Ungleichheit bei der Besetzung von Führungspositionen gibt es außerdem ziemlich große Unterschiede bei der Bezahlung. Der Gender Pay Gap, der in Deutschland allgemein noch bei rund 18 Prozent liegt (2022), ist auch in der Werbebranche allgegenwärtig. Frauen verdienen bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit oft weniger als ihre männlichen Kollegen.

Besonders problematisch wird das in Verbindung mit den oft prekären Arbeitsverhältnissen in der Agenturwelt: Überstunden und projektbasierte Verträge sind immer noch Alltag und Frauen, die familiäre Verpflichtungen haben, können diese Erwartungen oft schwerer erfüllen. Dies führt nicht nur zu einer geringeren Vergütung, sondern auch dazu, dass Frauen seltener in die Position kommen, in denen sie Gehaltsverhandlungen auf Augenhöhe führen können. So wird sich hier nur schwer etwas ändern.

Arbeitskultur und das Breadwinner-Mindset

Die Arbeitskultur in vielen Agenturen ist geprägt von langen Arbeitszeiten, hohem Druck und einer Leistungsträger-Mentalität. Diese Strukturen begünstigen oft Männer, da von Frauen traditionell stärker erwartet wird, sich um familiäre und häusliche Verpflichtungen zu kümmern. Obwohl sich diese Rollenbilder langsam aufbrechen, wirken sie in der Praxis weiterhin nach.

Frauen, die Karriere machen wollen, sehen sich oft mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich in einem System zu behaupten, das noch stark auf traditionelle Arbeitsmodelle setzt. Es fehlt häufig an flexiblen Arbeitszeiten, die es Müttern möglich machen, neben dem Job familiäre Verantwortung zu übernehmen (und warum machen das die Väter eigentlich nicht auch mehr?). Zwar bieten immer mehr Agenturen Home-Office-Optionen und flexible Arbeitszeiten an, doch in der Realität stoßen diese Angebote oft auf kulturelle und organisatorische Grenzen. Oftmals werden jene, die lange im Büro bleiben, als engagierter angesehen – ein indirekter Vorteil für Männer, die seltener den primären Care-Load übernehmen.

Fehlende Vorbilder und Mentoring-Programme

Ein weiteres Hindernis für Frauen in der Werbebranche ist der Mangel an weiblichen Vorbildern in Spitzenpositionen. Frauen, die sich in einer von Männern dominierten Führungsstruktur durchsetzen wollen, fehlt es oft an Role Models, die ihnen den Weg weisen. Dieser Mangel an Repräsentation verstärkt den Eindruck, dass Führung primär eine männliche Domäne ist, was wiederum dazu führt, dass sich weniger Frauen auf Führungspositionen bewerben.

Zwar gibt es inzwischen viele Initiativen und Mentoring-Programme, die Frauen in der Werbung unterstützen, doch diese sind noch nicht ausreichend flächendeckend etabliert. Ein systematisches Mentoring, das Frauen gezielt fördert und ihnen den Zugang zu Entscheidungsnetzwerken ermöglicht, ist in vielen Agenturen noch immer nicht die Norm.

Kreative und administrative Rollen: Geschlechterstereotype

Eine weitere strukturelle Ungleichheit in der Werbebranche zeigt sich in der Verteilung der Aufgabenbereiche. Frauen sind oft in kreativen oder administrativen Rollen zu finden, während strategische und technische Positionen von Männern dominiert werden. Dies verstärkt bestehende Geschlechterstereotype und trägt dazu bei, dass Männer in den entscheidenden Positionen sitzen, während Frauen in unterstützenden Funktionen verbleiben.

Eine Studie von We Are Social aus dem Jahr 2021 ergab, dass Frauen in der Werbung häufiger in Bereichen wie Public Relations und Content Creation arbeiten, während Männer in den technischen und strategischen Disziplinen wie Data Analytics und Media Planning dominieren. Diese Verteilung zementiert nicht nur Stereotype, sondern sorgt auch dafür, dass Männer in den Positionen sind, die langfristig mehr Macht und Einfluss bieten.

tl;dr

Die strukturellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Agenturjobs sind tief verankert und zeigen sich in Bereichen wie der Verteilung von Führungspositionen, der Bezahlung, der Arbeitskultur und der Aufgabenverteilung. Zwar gibt es einige Initiativen und Programme, die auf mehr Gleichstellung abzielen, doch der Fortschritt ist oft langsam und nicht flächendeckend. Um eine echte Veränderung zu bewirken, sind tiefgreifende Reformen notwendig – sowohl auf struktureller als auch auf kultureller Ebene. Frauen müssen nicht nur in Entscheidungspositionen gebracht, sondern auch in ihrem beruflichen Alltag besser unterstützt werden. Nur dann kann unsere Branche ihr Potenzial als Vorreiterin für Vielfalt und Inklusion wirklich ausschöpfen.

Und was wir alle zur Veränderung unserer täglichen Arbeit in Agentur- und Marketingjobs tun können, wollen wir mit euch im Agency Happiness Club besprechen. Das erste Event (völlig kostenlose) Event aus der Reihe findet am 21. November in Hamburg statt. Weitere Infos bekommt ihr auf unseren Social-Kanälen.