Kolumne
9.7.2024
|Aus digitalem Hype wird Branding: Songify your Brand!
In der monatlichen Kolumne „Trend Slay“ schnappen sich Digital Media Experte Hans Neubert und Research & Analytics Experte Martin Wenk die aktuellen Trends im Digital Marketing, schütteln sie kräftig durch und servieren sie mit einer Extraportion Anwendungs-Insights für Marketeers. Hier werfen wir einen Blick auf die neuesten digitalen Strömungen, die die Welt um uns herum prägen, und fragen uns: "Sind wir in der Hype-Suppe etwa alle nur Croutons oder gibt es da draußen noch mehr zu schlucken?"
“Ain’t nobody got time for that” - aber manchmal muss eben doch ein bisschen Zeit dafür sein. Wo vor knapp einer Dekade noch Clips von YouTube aus Interviews, wie das von Sweet Brown nach einem Brand in ihrem Haus, benutzt wurden, um mit Autotune einen Song zu kreieren, der bis heute 70 Millionen Views verzeichnet, sind die heutigen Maßstäbe für die musikalischen Mixereien größer geworden. Genauso wurde auch schon Obama „songifiziert“, als seine Reden so zusammengeschnitten und mit Autotune vertont wurden, sodass er „Call Me Maybe“ von Carly Rae Jepsen nachsang. Viel Detail und Hingabe waren damals notwendig, um die passenden Passagen der Sprechinhalte herauszufiltern und zu verbinden. Heute gibt es KI-Tools, die das einfacher hinkriegen. Und genau so erlebt das “Songifying” eine Wiederbelebung.
Von Musik-Branche zu Branding-Maßnahme
Auch wenn DJs oftmals skeptisch beäugt werden, wenn sie die Knöpfe und Rädchen an ihrem Pult drücken und drehen, werden sie von der Mehrheit auf Festivals und anderen Events wie Götter verehrt. Nicht immer spielen diese DJs nur eine zusammengewürfelte Playlist rauf und runter - Nein! Sie mixen wahre Ohrwürmer, die uns nicht mehr aus dem Kopf gehen. Und das inzwischen nicht mehr nur in der Musik, sondern eben auch in der Werbung! Die Musikmixer:innen werden heutzutage immer kreativer, was ihren Style angeht, denn sie fangen an, nicht nur Gesprochenes von Politikern und Celebrities zu nehmen. Sie warten auf die viralen Videos auf den Plattformen, die uns sowieso schon nicht mehr richtig aus dem Kopf gehen wollen.
Von Meme zum Business-Case
“I am looking for man in finance, trust fund, 6’5’’, blue eyes”: Ein TikTok, in dem @girl_on_couch, sich eigentlich nur darüber lustig machen wollte, wie wählerisch andere bei der Partnerwahl waren und ihre Präferenzen beim Dating preisgeben. Nachdem sie gemerkt hat, dass diese Wörte im Klang harmonisch zusammenpassen, forderte sie die TikTok Community heraus, einen Song daraus zu machen - der absolute Chartbreaker war geboren! Ein Movement ist erschaffen: Die Vogue schreibt, dass Männer der Finanzbranche wieder als heiß gelten und David Guetta spielt seine Version in den Clubs von Las Vegas und lädt das Mädchen vom Sofa direkt mit auf die Bühne ein. “Did we just drop the song of the summer?” lautet die Caption des Videos, das die beiden beim Anheizen der Menge zeigt.
Genau so ging der Sound “Brother Eww” viral und wurde in kurzer Zeit mit der Hilfe von ABBA zum One Hit Wonder. Influencers und Creators konnten nicht genug von dem zusammengestellten Song bekommen und haben ihn in mehr als 200.000 Videos, wie z.B. @videozeugs und @lauraabla, in ihrem Content verbaut.
Von Pop-Kultur zum Zeitgeist-Branding für Marken
Auch bekannte Marken sind schon auf diesen Trend gestoßen. Was passiert, wenn man den wiederkehrenden Soundtrend der Creator und Community aufgreift, zeigen inzwischen viele Marken. Die Landschaft der Markenpartnerschaften hat sich im Laufe der Jahre dramatisch verändert.
Früher verbrachten viele Agenturen Zeit damit, Marken über die Kraft der Musik aufzuklären und Künstler:innen davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, Partnerschaften in der Markenwelt zu schließen. Inzwischen sind die Investitionen der Marken in die Musikindustrie signifikant gestiegen. Ob Garnier und Apache, Beyonce für Pepsi oder Shirin David und McDonalds. Marken verstehen es zunehmend, vor allem durch den Boom von Deutschrap Teil der Kulturen zu werden. Spotify hat erst vor ein paar Wochen angekündigt, dass sie eine neue interne Markenagentur aufbauen, um Beratungsdienste für die Markenwelt anzubieten. Allein in Bezug auf Synchronisation haben die Einnahmen aus der Nutzung von aufgezeichneter Musik in Werbung, Film, Spielen und TV weiterhin stark zugenommen und verzeichnen ein weiteres Jahr mit einem Wachstum von über 20% und erreichten mehr als 640 Millionen US-Dollar, und das schließt die Einnahmen aus Markenpartnerschaften noch gar nicht mit ein (2023-Bericht der IFPI).
Eigentlich nichts Neues: E.l.f. Cosmetics brachte zum Beispiel 2019 seinen ersten Originalsong auf TikTok heraus „Eyes.Lips.Face. (e.l.f.)“. Die Kampagne hatte 9,6 Milliarden Aufrufe. Influencer*innen wie James Charles und Addison Rae sowie Prominente wie Lizzo haben mitgemacht und den Sound genutzt.
Wie es auch gehen kann macht DKMS vor! In kürzester Zeit ist das “Hawk Tuah Girl” viral gegangen, die in einem Interview eine Frage mit einem Sound statt mit einem Wort beantwortet. Auf die Frage “What’s one thing that makes a guy go crazy everytime?” (Was ist die eine Sache, die einen Mann verrückt werden lässt?) imitiert sie ein Spuckgeräusch (das geschrieben klingt wie “hawk tuah”) und wurde damit berühmt. Stunden später war das Internet mit diesem Mädchen überflutet und DJs kreierten innerhalb weniger Tage Hawk-Tuah-Soundtracks, die wiederum für neue Videos auf TikTok und Instagram benutzt wurden. Das Meme war geboren und jeder kennt nun Hailey Welch, die begonnen hat, ihren Sound zu ownen und Merchandise zu verkaufen.
Wegen Urheberrechten ist es trotzdem für Marken oftmals schwierig, Sounds für ihren Content zu benutzen. Der Sound war innerhalb weniger Wochen schon so schnell gelernt, dass er gar nicht mehr nötig war, um im Contentpiece verstanden zu werden. Die Deutsche Knochenmarksspende (DKMS) zeigt, dass sie den Trend für eine guten Zweck benutzen kann, um ihre Edutainmentinhalte von der Reichweite profitieren zu lassen. Aus dem Claim “Mund auf, Stäbchen rein. Spender sein” wird ganz schnell ein “Hawk Tuah and spit on that thang”. Marken können eben nicht nur Trendsounds benutzen, sie können das Viralitätspotential mit dem Lernen der Community verknüpfen und ihre Inhalte so darstellen, ohne erst Audiorechte der Musikmixer anzufragen.
„Songifying“ im digitalen Marketing zeigt eindrucksvoll, wie aus viralem Content erfolgreiche Branding-Maßnahmen entstehen können. Marken haben erkannt, dass durch die kreative Nutzung von Sounds und Memes eine starke emotionale Bindung zu ihrer Zielgruppe aufgebaut werden kann. Ob durch Originalsongs auf TikTok oder das geschickte Aufgreifen von viralen Trends – die Verbindung von Popkultur und Markenbotschaft hat sich als äußerst wirkungsvoll erwiesen. Insgesamt zeigt sich, dass das Potenzial von „Songifying“ und ähnlichen Trends im digitalen Zeitalter längst über reinen Hype hinausgewachsen ist und zu einem festen Bestandteil moderner Markenstrategien geworden ist.